Eine Fach-Information des Fachverband Einblasdämmung verfasst von Herrn Arnold Drewer
Die Kerndämmung zweischaligen Mauerwerks mit Luftschicht ist eine der kostengünstigsten Dämmmassnahmen, die zudem die feuchtetechnischen Mängel des Hohlmauerwerks beseitigt. Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig, Energieinstitut Hessen
Mängel des Hohlmauerwerks
Das zweischalige Mauerwerk gehörte im 19 Jahrhundert zu den „neuzeitlichen Bauweisen“. Es wurde vor allem in Norddeutschland die dominierende Wandbauweise. Diese „Sparwände“ sollten die Baukosten durch Materialeinsparung senken und trotz dünnerer Konstruktion genügend Regenschutz bieten. Ihr mangelnder Wärmeschutz führte mit U-Werte zwischen 1,6 und 1,9 W/(m2K)) bald zu Problemen.
Schon 1926 wurde wegen der Nachtei- le von Luftschichten in Wänden deren Füllung durch Bimskies u.a. Dämmstoffe empfohlen. [1] (Bild 1) Prof. Ebinghaus ergänzte 1951: „Wegen der großen geschilderten Nachteile sollte man auf die Hohlraumausführung möglichst verzichten.“ [2] Prof. Schmiti beschreibt 1956 die Mängel nebst Lösung: „Man hat auf Grund von solchen Hohlräumen oti das Wasser in der kalten Jahreszeit angesammelt gefunden - oder in Frostzeiten Eisschichten von über 1 m Höhe gemessen. (...) Besser ist es anstatt der Luftschicht einen porigen Dämmstoff zwischen die beiden Wandschalen einzubauen.“ [3] Schon 1881 wies Prof. Breymann [4] auf den schwierigen Abschluss von Luftschichten gegenüber der Außenluft hin, was auch Prof. Walbe 1904 bestätigt: „Hierbei große Hohlräume, in denen ruhende Luft, die allein genügenden Schutz gegen Wärmeverluste gibt, nicht anzunehmen ist.“ Er empfahl: „Daher Ausfüllung mit Torfmull, Schlacke, Bimskies oder anderen schlechtleitenden Stoffen.“ [5] Die Auskühlung der Luft- schicht durch Außenluft beschreiben auch Dr. Helmut Künzel, Prof. Schüle und L. Sautier. Sie zeigten Durchfeuchtungen und Vereisungen in der Luftschicht. (Bild 2)
Obwohl die zweischalige Aussenwand fast 100 Jahre bis 1950 unbelüftet ausgeführt wurde, sorgten viele Undichtheiten nach innen und außen, sowie eine Rotationsströmung im Luftzwischenraum, die Wärme und Feuchte von der Innenseite zur Aussenschale transportierte, dafür, dass statt einer ruhenden Luftschicht eher Bauschäden entstanden. (Bild 3) [6]
DIN 4108 rät ab vom Hohlmauerwerk
Die DIN 4108 forderte ab 1952: „Die Anordnung einer durchgehenden Luftschicht in gemauerten Wänden zur Verbesserung der Wärmedämmung ist unzweckmäßig und zu ver- meiden.“ [7] In Versuchen an Gebäu- den haften Querströmungen feucht- warmer Luft in der Luftschicht Konden- satmengen gezeigt, die die Außenschale in unbeheizten Gebäudebereichen und auf Nordwestseiten durchnässten. [8] Die DIN 4108 beschränkte deshalb das zweischalige Mauerwerk auf Norddeutschland (Wärmedämmgebiet I) und im Wärmedämmgebiet II auf die Gebiete westlich der Elbe. [9]
Wegen solcher Gefahren verlagerte die Baustoffindustrie nach 1945 den Wär- meschutz von der Wandkonstruktion auf den einzelnen Stein (Llz, Hlz, Hbl). Diese Lochsteine mit geringerer Wärmeleitiähigkeit ermöglichten bei zwei- schaliger Wandbauweise, den Wärme- schutz durch die Hintermauerung oder
eine dünne Dämmschicht im Luftraum zu erbringen. Letztere wurde jedoch von der DIN 1053 begrenzt, die ohne wissenschatiliche Begründung eine Belüftung der Luftschicht forderte. [10]
Expertenstreit um den Wärmeschutz
Der einsetzende Expertenstreit zweier Normkommissionen schadete der Kerndämmung zweischaligen Mauer- werks, sowohl im Neubau als auch bei der Nachrüstung im Altbau. Seit 1952 schrieb die DIN 1053 eine Belüftung von zweischaligen Mauerwerk vor, während die DIN 4108 davon abriet. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts Holzkirchen dazu: „Die Überbewertung der Belüftung führte zu dieser Situation. Dabei ergibt eine einfache Abschätzung, dass die Feuchtemenge, die bei den auttretenden Differenzen der relatitven Luftfeuchte von Spaltluft und Außenluft und den sehr geringen Luftbewegungen in der Belüftungsschicht ein kleiner Bruchteil der Feuchtemenge ist, die unmiftelbar über die Oberfläche der Vormauerschale abgeführt werden kann.“ Auch zeigten weitere Feuchte- messungen in Holzkirchener Versuchs- gebäuden, dass der Feuchtegehalt der Außenschale bei belüfteten Wänden größer war als bei unbelüfteten. [11] (Bild 4)
Der Streit wurde erst 1996 zu Gunsten der bauphysikalisch begründeten Haltung der DIN 4108 gelöst. Gesichtswahrend „darf“ man auch heute noch nach DIN 1053 Luftschichten in Wänden anordnen. Seither ist die Kerndämmung zweischaligen Mauerwerks kein Verstoß mehr gegen die DIN 1053. Physikalisch funktionierte sie schon immer.
Keine Feuchteschäden bei Kerndämmung
Nach 1990 wurden zunehmend Energiesparhäuser mit Kerndämmung im zweischaligen Mauerwerk errichtet, die zudem dicke Dämmschichten bis 20 cm aufwiesen. Diese Gebäude zeigten keine Schäden, erhielten meist eine Länder-Förderung und führten zu einem positiven Erfahrungsschatz.
Eine große Nachuntersuchung über ausgeführte Kerndämmungen in den Niederlanden zeigte zwar noch die eine oder andere Ausführungsschwäche der Anfangszeit, aber keine auf fehlender Belüftung beruhenden Feuchteschäden. Ihre Publikation in Deutschland deckte den Widerspruch auf, dass die NL-Regierung seit 1974 die nachträgliche Kerndämmung von zweischaligen Wänden förderte, während sie in Deutschland behindert wurde.
In der niederländischen Studie wurden 1979 die zur Wefterseite orienfterten Wände von 164 Wohnhäusern auf Schäden an der zu dieser Zeit bis zu 5 Jahre alten Kerndämmung untersucht. Risseschäden, unzureichende Verfüllung und Sackungen wurden bei zwei Dämmstoffarten vermehrt gefunden, gehörten jedoch zur Kategorie der Ausführungsmängel. Diese Dämmstoffe (Perlite und Harnstoff-Formaldehydschaum) werden heute kaum noch für Kerndämmung eingesetzt oder wegen Ausgasungen verboten.
Alle von der Studie mit positiven Ergebnis untersuchten Kerndämmstoffe sind heute noch am Markt. Es handelt sich um Glaswoll-, Steinwollflocken und Hartschaumgranulate. Die Studie resümiert: „Im Durchschniti ergab sich ein durchweg akzeptables Allgemeinbild. Spuren von Feuchtigkeitsschäden waren nirgends vorhanden, obwohl bei fast allen Objekten die geöffnete Wand zur „Wettterseite" hin orientiert war. Ebenso wurde nirgends durchfeuchte- ter Dämmstoff angetroffen. Zeichen einer Zerstörung durch chemische Wirkung oder durch biologische Einflüsse (Schimmelbefall) wurden nicht festgestellt. Die Mehrzahl der Hausbewohner hat die jeweilige Dämmung als durchaus positiv beurteilt.“ [12]
Kein Tauwassernachweis bei Kerndämmung erforderlich
Das im Jahr 1981 in die DIN 4108 eingefügte Nachweisverfahren zur Wasser- dampfdiffusion (Glaser-Verfahren) enthält eine Auflistung aller „Bauteile, für die kein Tauwassernachweis erforderlich ist“ Dieses Kapitel 3.2 (heute 5.3) enthält den deutlichen Hinweis, dass diese für alle wesentlichen Außenbauteile gelten- de Ausnahmeregelung auch für die Kerndämmung gilt. (Bild 5)
Die Norm begründete die Ausnahme damit, dass die Berechnung bei diesen Bauteilen nicht zu sinnvollen Ergebnissen führe und die Baupraxis den Nachweis ihrer Funktionstüchftgkeit geliefert habe.
Kerndämmstoffe bleiben trocken
Die Feuchte von Baustoffen wird durch den Wasserdampfgehalt ihrer Umgebungsluft bestimmt. Diese in der DIN 4108 definierte „Gleichgewichtsfeuchte“ beträgt bei den untersuchten Kerndämmstoffen 5 Masse-%. Demgegen- über ist der gemessene Feuchtegehalt der Dämmstoffe in den 164 Gebäudewänden eine Sensation: Er unterschritt mit 0,08 bis 0,68 Masse-% die Gleich- gewichtsfeuchte bis zu 98 %. Poinftert ausgedrückt waren die Kerndämmungen trockener als trocken. (Bild 6 und 7)
Bei solch trockenen Dämmstoffen gab es in den 5 Betriebsjahren auch keine Auffeuchtung durch Wasserdampfdiffusion. Das damals gültige Nachweisverfahren ergab rechnerische Tauwassermengen je nach Dämmstoff zwischen 0,255 und 0,893 kg Feuchte pro m2 und Tauperiode und die Wände hätten bereits 5 Tauperioden durchlaufen. Die gemessene Dämmstofffeuchte betrug jedoch nur 0,02 bis 1,0 % dieser Menge. Wird gegenüber der rechnerischen Diffusionsmenge eine um den Faktor 95 bis 6200 geringere Feuchtemenge gemessen, besteht die Nachweisfreiheit bei der Tauwasserberechnung in der DIN 4108 für die Kerndämmung zu Recht.
Der Glaube an eine „Taupunktverschiebung“ durch Kerndämmung kann durch das Wissen ersetzt werden, dass die Taupunkttemperatur nicht unterschritten wird, da eine Auffeuchtung der Dämmstoffe in der Luftschicht nicht nachweisbar ist. Im Gegenteil bleibt die Vormauerschale trockener als bei einer belüeten Ausführung, da Strömungen feuchter Luft unterbunden werden. Eine Wasserdampfdiffusionsberechnung nach DIN 4108 ist für die Kerndämmung zweischaliger Außenwände nicht erforderlich.
Fussnoten
[1] Prof. Paul Schmidt, Handbuch des Hochbaus, Nordhausen 1926[2] Prof. Hugo Ebinghaus, Der Hochbau, Giessen 1951
[3] Prof. Heinrich Schmitt, Hochbaukonstrukti- onen, Ravensburg 1956[4] Prof. G. A. Brymann, Bau-Constructionslehre, I. Stein, Stuttgart 1881
[5] Prof. Walbe, Hochbau in Stein, Berlin 1904
[6] Dr. Helmut Künzel, Reihen-Vergleichs-Versu- che an künstlich bewohnten Versuchsbauten der Freiland-Versuchsstelle bei Holzkirchen/Obb., Außenstelle des Instituts für technische Physik, Berlin 1958; Leopold Saufter, Der Hohlmauer- Aberglauben, Bauwelt 47 und 51, Bauwelt 1939; Gösele/Schüle, Schall, Wärme, Feuchftgkeit, Wiesbaden 1972
[7] DIN 4108, Wärmeschutz im Hochbau, Ausga- be 1952
[8] Dr. Helmut Künzel, a.a.O.
[9] Dr. Helmut Künzel, Bauphysik Geschichte und Geschichten, Stuttgart 2002, S. 55[10] Dr. Helmut Künzel, a.a.O.
[11] Dr. Helmut Künzel, a.a.O.
[12] Ernst K. H. Wulkan, Das Verhalten von Dämmstoffen in nachträglich verfülltem zwei- schaligen Mauerwerk mit Luftschicht, in: Bau- physik 4/1983
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